Auf den Spuren von Arnold Rikli
Arnold Rikli - Der Sonnendoktor (Quelle: wikipedia)
Arnold Rikli war ein Pionier der Naturheilkunde und Begründer der atmosphärischen Kur. Er setzte aus innerer Überzeugung auf die Heilkraft der Sonne, Luft, Wasser und Ernährung, um die Gesundheit seiner Kurgäste zu fördern. Seine Therapiemethoden umfassten Sonnenbäder, Luftbäder, Wasseranwendungen und eine gesunde Ernährung. Rikli glaubte an die Selbstheilungskräfte des Körpers und setzte auf natürliche Heilmethoden, um das Wohlbefinden seiner Kurgäste zu verbessern.
Hier an der Rotfarbgasse gegenüber den Schulhäusern, wurde Arnold als viertes von neun Geschwistern vor 200 Jahren geboren. Sein Vater Abraham Friedrich Rikli-Moser betrieb eine Rotfärberei auf dem heutigen Schulareal, ebenso war er auch in der Politik engagiert. Arnold war seit seiner frühen Jugend sehr naturverbunden. So liebte er das Wasser des „Mühlibachs“ der sich direkt vor dem Elternhaus vorbei schlängelt. Sehr oft war er auch auf den nahegelegenen Bauernhöfen der Familien Strasser und Roth anzutreffen, wo er die Arbeit mit den Tieren besonders mit den Pferden liebte.
Die Grundschule besuchte Arnold in Wangen. Aufgrund der Strenge seiner Lehrer war diese Zeit für Arnold eher eine Tortur, umso mehr freute er sich, die Freizeit in der Natur sowie mit den Tieren zu verbringen.
Mit 15 Jahren wechselte er zwecks höherer Ausbildung (Gymnasium) für zwei Jahre an die Wissenschaftliche Bildungsanstalt Salon Ludwigsburg.
Eigentlich wollte Arnold Landwirt werden, auf Wunsch seines Vaters liess er sich jedoch – wie zwei seiner Brüder – zum Rotfärber ausbilden. Dies geschah vorgängig im elterlichen Betrieb sowie auch auf Wanderschaft in den umliegenden Ländern der Schweiz. So war er unter anderem auch zu Besuch bei seinem Onkel Johann Moser in Triest, wo er auf drei Bücher von Carl Munde über Hydropathie und Wasserheilkunde stiess. Diese Schriften öffneten ihm den Weg für seine späteren Heilmethoden mit Wasser.
Beim Rotfärben werden Garne mittels natürlichen Farbstoffen, gewonnen aus der Krappwurzel, leuchtend rot gefärbt. Dieser Prozess ist sehr störungsanfällig, da Krappwurzeln und Garne als Naturprodukte sehr unterschiedliche Resultate bei der Färbung ergaben. Dies erforderte vom Färbermeister viel Erfahrung und gelegentlich auch etwas Glück. Im Weiteren war die Strenge des Vaters und die fehlende Kommunikation mit seinen Söhnen nicht sehr hilfreich für ein erfolgreiches Betriebsklima.
1844 heiratete Arnold Marie Landerer aus Basel. Im selben Jahr wurde ihnen Sohn Paul geschenkt. Nach dem Plan des Vaters sollte Arnold mit zwei Brüdern in Seebach (Kärnten, Österreich) eine neue Rotfärberei aufbauen, also zog die junge Familie ins südliche Kärnten nach Seebach.
Der Aufbau der neuen Färberei war äusserst mühselig, da die vorhandene Wasserqualität zum Färben ungeeignet war und die Motivation der Mitarbeiter nicht den Erwartungen gerecht wurde. Trotz dem mehrfachen enormen finanziellen Einsatz aus Wangen kam die Färberei in Seebach nie zum gewünschten Erfolg. Gleichwohl erwarb sich Arnold in Seebach ein gewisses Ansehen, zum einen, weil er sich unter den Leuten der Rotfärberei und der Umgebung als Heilpraktiker betätigte – und dabei wohl seine eigene naturheilmethodische Behandlungsweise entwickelte –, zum anderen, weil er 1849 sein eigenes Leben riskierte, um von einem Hochwasser führenden Bergbach mitgerissene Holzarbeiter zu retten.
1852 Arnold erkrankte an einer Brustfellentzündung, die er selber kurierte. Zur Erholung begab er sich ins südlich gelegene Veldes (damals die österreichische Donaumonarchie, später Jugoslawien, heute Slowenien). Hier in Veldes (heute Bled) bewogen das milde Klima sowie die Lage inmitten der prachtvollen Umgebung am See in den Julischen Alpen Arnold dazu, künftig hier die Heilkunde, sein bisheriges Hobby zum Beruf zu machen. Er trennte sich vom Betrieb mit seinen Brüdern und gründete 1854 seine eigene Kuranstalt in Veldes/Bled.
Zu seiner Behandlungsweise gehörte, dass er durch die wechselseitige Anwendung von Wärme und Abkühlung den Körper zur Ausscheidung von Schweiss und Eiter und damit zur Entgiftung kranker Organe brachte, was meist zur Heilung des Kranken führte. Sein Grundsatz lautete: „Keine Erwärmung des Körpers, ohne nachfolgende Abkühlung und umgekehrt“. Er legte das Mass und die Art der Erwärmung (Sonnenbad, Dampfbad) und der Abkühlung (Abreibung, Bad, Wickel) sorgfältig für jeden Patienten fest. Die Erfolge blieben nicht aus und Veldes wurde zur Behandlung von Fieberkrankheiten schnell bekannt, da auch von den Medizinern aufgegebene Kranke Genesung fanden.
Als weitere Unterstützung der Kur, führte Arnold eine mässige vegetarische Diät ein. Die Beschaffung der Nahrungsmittel für eine ausgewogene vegetarische Kost erforderte viel Zeit und Aufwand, ebenso die Heranbildung von geeignetem Pflegepersonal aus der einfachen ländlichen Bevölkerung.
Eine weitere mildere Kurmethode war die Abkühlung in der Morgenluft. Er liess in geschützter Lage, in Seeufernähe einfache Hütten erstellen, sogenannte Lufthütten. Diese waren gegen den See offen und ermöglichten meist zwei Kurgästen an der frischen Luft zu schlafen. Aus diesen Hütten wanderten am frühen Morgen die „Rikli-Indianer“ je nach Wetter und Gesundheitszustand ca. 1 Stunde zu den Luftparks. Diese waren von Bäumen umgebene sowie für Männer und Frauen getrennte Anhöhen auf Wiesen. Dort wurde barfuss und möglichst leicht bekleidet spaziert, gespielt und geturnt. Das Frühstück wurde mitgenommen und im Park verzehrt. Anschliessend kehrte man in die Kuranstalt zurück und widmete sich den von Arnold individuell verordneten Kuranwendungen wie Sonnenbäder, partielle Dampfbäder, Abreibungen, Sitzbäder und Packungen. Eine solche meist dreiwöchige Kur kostete ca. 100 Gulden, was damals keine Kleinigkeit war. Trotzdem war der Andrang für diese atmosphärische Kur gross und es mussten immer wieder Patienten abgewiesen werden. In einer Zeit, da man darauf bedacht war, den ganzen Körper ständig bedeckt zu haben, erlebten die barfuss gehenden Rikli-Indianer die Wohltat der freien Bewegung sowie der möglichst wenig bekleideten Haut. Man begann, sich über die von Sonne und Luft gebräunte Haut nicht mehr zu stören.
Das Kursprogramm in Veldes wurde nur im Sommer – von Mai bis Oktober – durchgeführt. Aufgrund des grossen Interesses eröffnete Arnold in Triest eine hydrologische Anstalt auch im Winter. Dort war der Erfolg weniger durchschlagend.
Sein Verhältnis zur damaligen Medizin war sehr gespannt. Operationen und Impfungen lehnte er ab. Da er diese Abneigung auch öffentlich zum Ausdruck brachte, wurde er oft vor Gericht zitiert und angeklagt. Verurteilt wurde er jedoch nie, da sich immer genügend von ihm geheilte Personen fanden, die für ihn einstanden. Seine für die damalige Zeit spektakulären Erfolge bei allen, mit irgendeiner Entzündung zusammenhängenden Krankheiten zogen jedoch die Aufmerksamkeit erster medizinischer Autoritäten auf sich. Von solchen – auch aus Übersee stammenden – Fachpersonen wurde sein System von Erwärmung und Abkühlung an Ort und Stelle genau studiert und auch anerkannt sowie weiterverbreitet. 1900 wurde Arnold Rikli für die Erfindung des Bettdampfbades ein Ehrendiplom verliehen, 1903 erhielt die Kuranstalt Veldes die goldene Medaille der k. u. k-Monarchie.
Der 1. Weltkrieg bedeutete das Ende der Rikli´schen Naturheilanstalt. Die vielen Kurgäste aus Europa und Übersee machten Veldes bekannt und kehrten in späteren Jahren an den schönen Ort als Feriengäste zurück.
Als Zeitgenosse von Arnold Rikli war Sebastian Kneipp (1821 – 1891) als Hydropath und Naturarzt tätig. Seine Kuranstalt in Bad Wörishofen mit diversen Kaltwasser-Anwendungen hat Kriege und Krisen überlebt und erfreut sich steter Beliebtheit.
Bekannte Namen wie Rudolf Steiner, Franz Kafka, waren Kurgäste in Veldes. Ebenso Karl Gräser, Ida Hofmann und Henri Odenkoven, die in Veldes von der atmosphärischen Kur inspiriert wurden und um 1900 die Naturheilanstalt Monte Verità in Ascona gründeten. Die Idee der Lufthütten wurde übernommen und mit den Themen Spiritualität, Freikörperkultur und Tanz kombiniert.
Zu ungeahnter wissenschaftlicher Anerkennung kam Arnold Rikli sieben Jahrzehnte nach seinem Tod. 1903 erhielt der dänisch-färöische Forscher Niels Ryberg Finsen den Nobelpreis, weil er Krankheiten mit Lichtstrahlung behandelt und so der Medizin neue Wege eröffnet hatte. Seit 1989 wird von der Wolff-Stiftung jährlich ein Preis für wissenschaftliche Beiträge auf dem Gebiet der Lichttherapie ausgelobt, der jedoch nicht nach Finsen benannt ist, sondern – nach dem ersten Sonnendoktor – Arnold-Rikli-Preis heisst.